Wiedereingliederung nach einer Krankheit ist äußerst wichtig, um Fachkräfte nach längerer Abwesenheit wieder an ihren Aufgabenbereich zurückzuführen, ohne ein Gefühl von Überforderung auszulösen.
Nach einer längeren Krankheitsphase einfach wieder von 0 auf 100 in die alte Stelle zu starten, sowohl vom Arbeitsumfang als auch von der täglichen Arbeitszeit her, kann schnell nach hinten losgehen. Gerade bei psychischen Erkrankungen ist die Rückfallquote besonders hoch. Um dem entgegenzuwirken, gibt es verschiedene Möglichkeiten der stufenweisen Wiedereingliederung. So kann der Arbeitsprozess langsam wieder aufgenommen werden und die Wiedereingliederungsmaßnahme begonnen werden.
Was ist stufenweise Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell
Nach längerer Auszeit findet bei der Rückkehr der Beschäftigten eine stufenweise Wiedereingliederung statt, damit sie nicht ins Kalte Wasser geworfen werden, sondern Schritt für Schritt wieder an ihren Aufgabenbereich herangeführt werden. Die Wiedereingliederung, auch Hamburger Modell genannt, richtet sich nach 74 Sozialgesetzbuch V und der Empfehlung vom Arzt und dauert normalerweise bis zu sechs Monate. Viele Krankheitsfälle sind auf psychische Erkrankungen wie Burn-Out zurückzuführen. Gerade in diesen Fällen ist es wichtig, die Arbeitsbelastung nicht wieder von 0 auf 100% hochzuschrauben, sondern nach der medizinischen Rehabilitation und nach Empfehlung des Betriebsarztes einen Stufenplan zu entwickeln und sowohl das Aufgabenspektrum, als auch die Arbeitszeit sukzessive hochzufahren. Die Wiedereingliederung ist eine Maßnahme die zum Ziel hat, dass der/die Arbeitnehmer:in danach wieder voll einsatzfähig in seine/ihre alte Position zurück kann.
Voraussetzungen für die Anwendung des Hamburger Modells nach 74 SGB V ist, dass der/die Mitarbeiter:in weiter arbeitsunfähig ist, die gesetzliche Krankenkasse der Wiedereingliederung zustimmt und dem/der Mitarbeiter:in ausreichende Belastbarkeit vom Arzt attestiert wird, zumindest mit geringerer Arbeitsbelastung wieder zu starten.
Die wichtigsten Punkte zur Implementierung
Zustimmung von allen Seiten: Um mit der Umsetzung starten zu können, müssen vorher Unternehmensleitung, Krankenkasse und Mitarbeiter:in dem Stufenplan zustimmen.
Arbeitsumfang: Arbeitszeiten werden zwischen Mitarbeiter:in und HR sowie Abteilungsleitung besprochen und von einem geringen täglichen Stundensatz schrittweise in einem regelmäßige Rhythmus gesteigert. Der/die Mitarbeiter:in ist in dieser Phase noch arbeitsunfähig, sodass die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung für den/die Arbeitgeber:in nicht anfällt und sogar nicht erlaubt ist.
Entgeltfortzahlung: Während der Wiedereingliederung zahlt die Krankenversicherung das Krankengeld in voller Höhe. Sofern die Wiedereingliederung nach einer Reha Maßnahme erfolgt, springt die gesetzliche Rentenversicherung ein und stellt ein sogenanntes Übergangsgeld bereit.
Urlaub: Während der Wiedereingliederungsmaßnahme besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Urlaub. Dieser verfällt jedoch auch nicht, sondern wird während dieser Zeit einfach angesammelt.
Unterbrechungen: Bei einer Wiedereingliederung kann es auch immer mal wieder aus verschiedenen Gründen zu Unterbrechungen kommen. Die Unterbrechung darf maximal 7 Tage andauern. Die Maßnahme kann bei Überschreitung dieser Tage sowohl vom Rehabilitationsträger, als auch vom/von der Mitarbeiter:in und behandelndem Arzt bei Verschlechterung des Zustands abgebrochen werden. Dann gilt die Wiedereingliederung offiziell als gescheitert.
Was ist Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)?
Durch das Betriebliche Eingliederungsmanagement sind seit 2004 alle Arbeitgeber:innen verpflichtet, nach längerer Krankheit ihren Angestellten den Wiedereinstieg zu erleichtern, mit dem Ziel, dass sie ihre bisherige Tätigkeit wieder vollumfänglich ausüben können. Das BEM bezieht sich auf alle Anstellungsformen und schützt somit jeden, vom/von Praktikant:in bis hin zur Chefetage. Ausnahmen von der Verpflichtung stellen Arbeitsverhältnisse dar, die kürzer als 6 Monate andauern. Viele Arbeitnehmer:innen, besonders mit psychischen Erkrankungen, wie Burnout, laufen Gefahr, innerhalb der ersten drei Jahre nach Rückkehr wieder rückfällig zu werden. Um dem vorzubeugen, ist das Betriebliche Eingliederungsmanagement dafür da, arbeitsunfähige Arbeitnehmer im nach längerer Erkrankung über eine längere Zeit wieder zu ihrem alten Aufgabenbereich zurückzuführen. Dabei werden die einzelnen Stufen im Vorfeld geplant und von HR bis Ende der Maßnahme begleitet. Für Unternehme ist es besonders in Zeiten des Fachkräftemangels besser, die Talente im Unternehmen langfristig zu halten und zu ihrem bisherigen Arbeitsplatz zurückzuführen, als neue Mitarbeiter:innen suchen und einarbeiten zu müssen.
Wo liegt der Unterschied zwischen BEM und Hamburger Modell?
Auch wenn im Unternehmensalltag oftmals das Hamburger Modell und das BEM gleichgesetzt werden, unterscheiden sie sich in einigen Aspekten.
Das BEM ist verpflichtend für den/die Arbeitgeber:in, wenn ein:e Mitarbeiter:in in einem Kalenderjahr mehr als 6 Wochen krank am Stück oder insgesamt 42 Kalendertage arbeitsunfähig war. Für die Berechnung spielt der Grund für die Krankmeldung keine Rolle. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung attestiert den längeren Krankheitszustand von medizinischer Seite. In Zeiten von Corona gab es Ausnahmen von der BEM Pflicht: War beispielsweise ein:e Mitarbeiter:in einige Wochen durch Corona und die Nachfolgen krankgeschrieben und dann nochmal beispielsweise durch einen familiären Notfall oder Kinderbetreuung wegen Krankheit ist der/die Arbeitgeber:in von der BEM Pflicht entbunden. Eine Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell kann jedoch von Schwerbehinderten rechtlich eingefordert werden, für alle anderen Mitarbeiter:innen wir dies auf freiwilliger Basis von Arbeitgeber:innen angeboten.
Wenn der/die Mitarbeiter:in nicht gesetzlich versichert ist, sind die Voraussetzungen für das Hamburger Modell nicht erfüllt und es bleibt nur das BEM. Die Regelungen zur Wiedereingliederung von Schwerbehinderten sind im SGB IX zu finden
Sollte der/die Arbeitnehmer:in aller Voraussicht nach nicht ihre bisherige Arbeit wieder ausüben können kommt eine Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell nicht in Frage. Die Wiedereingliederung wird zudem engmaschig von einem Arzt betreut, der sowohl den Stufenplan, als auch die wöchentliche Arbeitszeit mit ausweist.
Mehrwert eines Wiedereingliederungsplans
Bei einem Wiedereingliederungsplan kann sowohl das Unternehmen besser planen, wann wieder mit der vollen Arbeitsleistung des/der Arbeitnehmer:in zu rechnen ist, als auch der/die Mitarbeiter:in kann sich darauf einstellen, was in den nächsten Wochen auf ihn/sie zukommt. Beginn und Ende der Maßnahme müssen genau definiert sein. Zudem sollten die einzelnen Stufen genauer ausgestaltet sein, damit auch die gegenseitige Erwartungshaltung von vornherein abgesteckt ist. Auch Tätigkeiten, die erstmal vermeidet werden sollten, werden klar definiert und festgehalten. Committen sich beide Seiten auf den Plan, kann die Wiedereingliederung starten und bei erfolgreicher Umsetzung die Arbeitsfähigkeit zurückerlangt werden.
Ein Stufenplan für dein Unternehmen
Generell empfiehlt es sich, einen strategisch entworfenen und mit dem behandelnden Arzt abgestimmten Stufenplan zu entwerfen und diesen auch digital zu hinterlegen.
Mit flair beispielsweise gibt es die Möglichkeit, Prozesse mit einzelnen Unteraufgaben und Fälligkeiten anzulegen und einem/einer Mitarbeiter:in zuzuweisen.
Genau dieses Vorgehen empfiehlt sich auch bei dem Wiedereingliederungsplan. Vor allem, wenn dieser teilweise oder komplett Remote abläuft, sollte auf digitale Wegweiser zurückgegriffen werden, damit sowohl von Arbeitgeberseite, als auch von Arbeitnehmerseite Erwartungen jederzeit abgesteckt und klar definiert sind, der/die Arbeitgeber:in aber auch beispielsweise einsehen kann, ob der/die Mitarbeiter:in mit dem geplanten Workload zurecht kommt. Sonst kann hier frühzeitig interveniert und der Plan angepasst werden. Besonders wenn es um körperliche Einschränkungen geht, wie nach einem Arbeitsunfall oder durch eine Berufskrankheit, führen Überlastungen eher zum Rückschritt als in Richtung zurück zum Job. Verletztengeld wird in diesem Falle zum Ausgleich des Einkommens gezahlt und stellt den Lebensunterhalt für den/die Verletzte und seine/ihre Angehörige dar.
Ein Prozessplan sollte unbedingt folgende Angaben enthalten: Aufgaben, Soziale Aspekte, Arbeitszeit, langsamer Aufbau von Arbeitstagen.
Wie genau der Prozess aufgenommen und gestaltet wird ist unternehmensspezifisch und sollte zudem an den Einzelfall angepasst werden. Einige generelle Punkte die immer berücksichtigt werden sollten:
Meeting Mitarbeiter:in mit Vorgesetzte:r: Vor Entwurf des Stufenplans sollte ein Gespräch gesucht werden, um den Zustand des/der Mitarbeiter:in einordnen zu können und zu erfahren, zu welchen Schritten er/sie sich im Stande sieht. Welche Erwartungen hat der/die Mitarbeiter:in an die Wiedereingliederung und was waren die Gründe für die lange Krankheitsphase. Hieraus kann später abgeleitet werden, was es zu vermeiden gilt oder an welche Punkte der/die Mitarbeiter:in langsam wieder herangeführt werden sollte.
Wertschätzung demonstrieren: Zeige dem/der Widerkehrer:in, dass sie willkommen sind und sich alle auf ihre Rückkehr freuen. Dies kann durch eine positive, optimistische Einstellung suggeriert und vorgelebt werden, oder sogar mit einem kleinen Willkommensgeschenk untermauert werden. Die offene, willkommene Haltung sollte nicht nur von den Vorgesetzten kommen, sondern auch vom Team. Zudem kann der/die Rückkehrer:in in der Cheers Section im Employee Hub gelobt werden, sowohl im Privatmodus als auch öffentlich. Auch dadurch kann Wertschätzung ausgedrückt und übermittelt werden.
Kritische Punkte aufdecken und Strukturen überdenken: Durch einen stetigen Feedbackprozess während der Wiedereingliederung sollte ein Austausch stattfinden, der auch dazu beiträgt, Aufgabenfelder, Abläufe, Verhaltensweisen oder Prozesse aufzudecken, die verändert werden müssen, damit der/die Mitarbeiter:in nicht nach kurzer Zeit wieder in alte, ungesunde Muster zurückfällt. Werden Pausen eingehalten, wie geht der/die Mitarbeiter:in seine/ihre Aufgaben an? Gibt es einen produktiveren Weg dies zu tun? Hier kann flair in zwei Punkten einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung des Ist-Zustands leisten: Zum einen kann jede:r Mitarbeiter:in in flair ihre Arbeitszeit messen und wird gemäß der landestypische Gesetzgebung an Pausen erinnert. Zum anderen kann der Feedbackprozess digitalisiert und automatisiert werden, sodass ein regelmäßiger Austausch gewährleistet ist und Absprachen direkt verschriftlicht, für alle zugänglich, festgehalten wurden.
Kommunikation zwischen allen Parteien: Es ist essenziell wichtig, bei der stufenweisen Wiedereingliederung in einem stetigen Austausch zu bleiben. Sowohl der/die behandelnde Arzt:in, sowie Teammitglieder, Abteilungsleiter:innen und HR sollten genauso muteinbezogen werden, wie der/die Mitarbeiter:in, um die es geht und die direkten Vorgesetzten. Der stetige Austausch soll dazu dienen, direkt intervenieren zu können, wenn der Prozess nicht so läuft wie geplant, um den größten Mehrwert für alle generieren und garantieren zu können.
BEM Umsetzungsstufen
Der/die Mitarbeiter:in wird bestmöglich unterstützt, nachdem die Gründe für den Krankheitsfall diagnostiziert sind. Unterstützung kann in folgenden Punkten erfolgen:
Veränderung am Arbeitsplatz: Das kann heißen, dass ein hybrides Arbeitsmodell sein, oder auch ein neuer Arbeitsplatz innerhalb des Büros mit einem neues Stuhl, einem anderen Bildschirm etc.
Technische Hilfsmittel: Nach einem Arbeitsunfall können auch technische Hilfsmittel benötigt werden, die eine einwandfreie und barrierefreie Arbeit ermöglichen. Diese sollten vor Wiedereinstieg von Arbeitgeberseite zugesichert werden.
Flexible Arbeitszeiten: Eine flexiblere Gestaltung der Arbeitszeiten kann helfen, mehr Freiheiten zu gewähren und dabei die Produktivität zu steigern. So kann man ohne Druck dann arbeiten, wann man sich am besten konzentrieren kann und bricht beispielsweise nicht ab, wenn man gerade im Flow ist, nur weil die reguläre Arbeitszeit gerade zu Ende ist.
Wechsel der Tätigkeit: Auch ein Tätigkeitswechsel kann eine Möglichkeit sein, Mitarbeiter:innen wieder zurück ins Unternehmen zu holen. Wegen geringerer Belastbarkeit oder körperlichen Einschränkungen kann es dazu kommen, dass die regulären Arbeitsaufgaben auch mit einer Wiedereingliederung nicht mehr möglich sein werden. Sollte dies festgestellt sein, kann man das BEM direkt für die Einarbeitung in den neuen Verantwortungsbereich nutzen.
Fazit
Es gibt viele Möglichkeiten, Arbeitnehmer:innen nach einer längeren Krankheitsphase wieder zurück ins Unternehmen zu holen. Es stellt für alle einen Mehrwert dar, wenn eine Wiederaufnahme der Arbeit erfolgen kann, ohne dass von Unternehmensseite große Kosten für neue Personalsuche und die Einarbeitungszeit entstehen. Oftmals kann durch eine stufenweise Wiedereingliederung eine Rückfälligkeit verhindert werden.
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