Im Wörtchen „Fehler” steckt eigentlich schon alles, was wir zu deren Vermeidung brauchen. Stellt man die Buchstaben nämlich um, kommt der „Helfer” heraus. Und nur, wenn wir Fehler begehen und mögliche Fehlerquellen sowie die Umstände, die zur Entstehung beitragen, kennen, können wir auch Strategien zur Vermeidung entwickeln.
In unserem heutigen Blog-Artikel wollen wir daher das Thema Beurteilungsfehler genauer für dich unter die Lupe nehmen und dir aufzeigen, wie Du Bewerber:innen oder Mitarbeiter:innen von einer Meta-Ebene aus kennenlernen oder objektiv bewerten lernen kannst.
Das sind die Gründe für die Entstehung von Beurteilungsfehlern
Wir Menschen haben eine Vielzahl von Denkmustern. Ein Großteil dieser Automatismen ist uns im Alltag eine große Hilfe, denn genau sie stellen sicher, dass wir nicht über alles, was wir tun, ständig und von neuem nachdenken müssen. Aber nicht nur Handlungen prägen sich auf diese Weise ein, sondern auch Gefühle, Wünsche, Wertvorstellungen, Eigen- und Fremdbild, Vorurteile und vieles mehr.
Das führt dazu, dass wir unbewusst immer „auf der gleichen Datenautobahn” fahren und diese sich immer tiefer in unser Gehirn eingräbt. Natürlich können sich dabei auch falsche Denkweisen einprägen und dazu führen, dass wir in einem Mitarbeitergespräch oder bei der Personalauswahl zu Fehleinschätzungen gelangen, die den/die Beurteilte/n benachteiligen.
Diese Muster an sich selbst zu erkennen, ist alles andere als einfach, aber nicht unmöglich. Professionelle Coachings mit Externen können helfen, wenn Du selbst nicht weiterkommst. Ein geschulter Blick von außen bringt uns oft schneller ans Ziel. Dennoch wird der/die Coach:in immer nur ein/eine Impulsgeber:in sein, der/die uns anleitet, die Antworten auf unsere Fragen in uns selbst zu suchen.
Im Folgenden erhältst Du die Gelegenheit, dir die häufigsten Beurteilungsfehler genauer anzusehen und zu erkennen, wie es durch sie zu vermeidbaren Wahrnehmungsverzerrungen kommen kann.
11 typische Beurteilungsfehler, die Du kennen solltest
Der Halo-Effekt
Wir alle kennen Menschen, die zum Beispiel eine besonders gewinnende Art haben oder außerordentlich redegewandt sind. Sie verfügen selbstverständlich über mehrere Eigenschaften - positiv wie negativ - aber eine einzelne sticht besonders hervor und ist stark ausgeprägt. Beim Halo-Effekt überstrahlt dieser dominante Charakterzug in der Wahrnehmung des Beurteilenden alles andere, er trägt also einen „Heiligenschein (Halo)”. Die zu beurteilende Person wird idealisiert. Schwächen werden automatisch ausgeblendet.
Der Primacy-Effekt
Der erste Eindruck zählt beim Primacy- oder Primär-Effekt im wahrsten Sinne des Wortes. Auch ähnelt die Entstehung der Wahrnehmungsfehler dem Halo-Effekt. Allerdings wird hier nichts überstrahlt, sondern der erste Eindruck ist mit dem Öffnen einer Schublade vergleichbar, in die der/die Beurteilungskandidat:in gesteckt wird.
Die Schublade wird aber sofort wieder geschlossen und alles, was nach dem ersten Eindruck kommt, passt nicht mehr hinein oder wird „passend gemacht”. Häufig passiert es, dass sehr attraktive Menschen auf diese Weise sofort als kompetent „abgestempelt” werden, selbst dann, wenn sich aus dem Gesprächsverlauf etwas anderes ergibt.
Der Recency-Effekt
Im Gegensatz zum First-Impression-Effekt liegt der Fokus beim Recency-Effekt auf einem Ereignis in der jüngeren Vergangenheit. Er wird deswegen auch Nikolaus-Effekt genannt, weil nicht die komplette Jahresleistung in das Beurteilungsgespräch einfließen kann. Der/die Beurteilende gewichtet dabei einen aktuellen Vorfall stärker als länger zurückliegende Ereignisse.
Der Hierarchie-Effekt
Die Hierarchie-Ebenen können ebenfalls Einfluss auf die Wahrnehmung bei der Personalbeurteilung nehmen. Jemand, der auf einer höheren Führungsebene tätig ist, wird beim Hierarchie-Effekt tendenziell besser beurteilt, denn schließlich muss er/sie - in der Vorstellung des Beurteilenden - aus dieser Gegebenheit heraus auch tatsächlich über die Kompetenzen verfügen, die ihn/sie dort hingebracht haben.
Der Kleber-Effekt
Ist der Ruf erst ruiniert... Beim Glue-Effekt fließen die Erkenntnisse aus alten Beurteilungsbögen zu stark in die aktuelle Bewertung mit ein. Altlasten haften an dem/der Mitarbeitenden wie Kleber, obwohl sich dieser/diese bereits weiterentwickelt oder verändert hat.
Der Lorbeer-Effekt
Lorbeeren sind ähnlich anhaftend wie Kleber - nur zeitigen sie für die betreffenden Personen positivere Auswirkungen. So kann es bei diesem Beurteilungsfehler passieren, dass Mitarbeitende in der Gegenwart von überdurchschnittlichen Leistungen, die sie in vorangegangenen Beurteilungszeiträumen erbracht haben, weiterhin profitieren. Die Beurteilung wird also besser als sie eigentlich sein müsste.
Der Andorra-Effekt
Im Andorra-Effekt begegnen uns Stereotype und vorgefertigte Meinungen. Diese können in der Gesellschaft verankert sein oder direkt in der Persönlichkeit des Beurteilers. Fehlannahmen, z. B. über mangelnde Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiter:innen oder Wiedereinsteiger:innen nach der Elternzeit, können eine Arbeitsbeziehung nachhaltig belasten oder im schlimmsten Fall sogar beenden, da sie im Grunde Unterstellungen gleichen.
Der Benjamin-Effekt
Eine kurze Betriebszugehörigkeit oder ein junges Lebensalter führen beim Benjamin-Effekt dazu, dass die Messlatte höher gelegt wird als bei anderen Mitarbeiter:innen. Beide Beurteilungskriterien können aber vernachlässigt werden, da weder Jugend noch eine kurze Betriebszugehörigkeit mehr Strenge rechtfertigen. In der Leistungsbeurteilung ist Objektivität und Gleichbehandlung gefragt.
Der similar-to-me-Effekt
Wir neigen dazu, das zu mögen, was uns ähnlich ist und entwickeln dadurch Sympathien oder umgekehrt Antipathien für Menschen. Auch in Beurteilungs- oder Bewerbungsgesprächen ist es schwierig, diese sogenannte Projektion zu umgehen und es kann zu Bewertungsfehlern kommen.
Der Kontrast-Effekt
Mit dem Kontrast-Effekt haben viele Angestellte zu kämpfen, die einen/eine erfolgreiche/n Mitarbeitende in einem Unternehmen ersetzen. Sie werden nämlich mit ihren Vorgänger:innen verglichen und vor diesem Hintergrund beurteilt. Das bedeutet für den Fall, dass die Stelle vorher mit einem/einer überdurchschnittlich engagierten Mitarbeiter:in besetzt war, die Tendenz zur Abwertung für den/die Nachfolger:in. Der Kontrast-Effekt funktioniert natürlich auch umgekehrt. Keine der beiden Varianten stellt aber ein geeignetes Instrument dar, um eine objektive Bewertung abzugeben.
Der Pygmalion-Effekt
Pygmalion ist eine tragische Figur aus der griechischen Mythologie. Der König erschuf sich eine Frau nach seinen Vorstellungen. Sie war aus Elfenbein. Die Göttin Aphrodite erweckte sie zum Leben.
Der Pygmalion-Effekt bezeichnet also eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Er kann positiv und negativ ausfallen - das kommt auf die Erwartungshaltung an, die dem/der Mitarbeiter:in entgegengebracht wird. In jedem Fall stellt er eine Manipulation dar, die mit Bedacht und viel Wohlwollen eingesetzt werden will.
Der goldene Mittelweg: So findest Du den richtigen Maßstab
Wenn Du dir der möglichen Fehlerquellen bewusst bist, hast Du den ersten großen Schritt in Richtung einer objektiven Beurteilungsmethode getan und bist in der Lage, dir von der Meta-Ebene aus einen Gesamteindruck von einem/einer Mitarbeiter:in zu verschaffen. Praktische Tipps zu Fehlervermeidung erhältst Du weiter unten im Artikel.
Doch bevor Du nun zur Tat schreitest, solltest Du dir zusätzlich über deine Ansprüche an deine Belegschaft klarwerden, denn fehlerhafte Beurteilungen können negative Konsequenzen für den/die Einzelnen und das Unternehmen nach sich ziehen. Hier einige Beispiele:
- geringere Chancen auf Fortbildung und Weiterentwicklung
- ausbleibende Gehaltserhöhungen
- geringere Sonderzahlungen
- unter- oder überschätzte Mitarbeiter:innen (bis hin zum Bore-out oder Burn-out)
- Unzufriedenheit, Demotivation (bis hin zur Kündigung)
- fehlender Teamzusammenhalt
Welchen Maßstab Du anlegen möchtest, bleibt selbstverständlich dir überlassen. Du solltest nur herausfinden, ob Du eine Tendenz zur Strenge oder zur Milde oder die Tendenz zur Mitte hast. So kannst Du klar und verlässlich kommunizieren und alle Mitarbeiter:innen gleich behandeln.
Praktische Tipps und Strategien zur Vermeidung von Beurteilungsfehlern
Die Entstehung von Fehlern verstehen und mögliche Fehlerquellen kennen, ist die eine Sache, die praktische Umsetzung die andere. Sich automatisiertes Handeln bewusst zu machen, ist eine schwierige Aufgabe. Mit diesen Tipps gelingt es:
- Nimm dir Zeit: Beurteilungsgespräche und auch Job-Interviews wollen in Zusammenarbeit mit dem Personalwesen gut vorbereitet sein. Versuche, die Leistung deiner Angestellten nicht erst kurz vor dem Gespräch zu analysieren, sondern habe im ganzen Beurteilungszeitraum ein Auge darauf. Nicht vergessen: Positives wie Negatives notieren.
- Hinterfrage deine Denkmuster: Außerhalb der Mitarbeitergespräche kannst Du üben. Gibt es Eigenschaften an Menschen, die dir besonders gut gefallen und die im Ernstfall alles andere überstrahlen? Sei ehrlich. Der Prozess der Bewusstwerdung wird dir helfen, die selektive Wahrnehmung in eine ganzheitliche Sichtweise umzuwandeln.
- Führe nie mehrere Beurteilungsgespräche hintereinander: Zu groß ist die Vergleichsgefahr. Du brauchst Zeit, um die Eindrücke zu verarbeiten.
- Behandle alle Mitarbeitenden gleich: Aber schere sie nicht über einen Kamm. Standardisierte Beurteilungsbögen und einheitliche Bewertungskriterien sind die Grundvoraussetzung für ein faires und gleiches Miteinander. Beachte im Zuge der Gleichbehandlung trotzdem die Individualität deiner Angestellten. Auf diese Weise wirst Du das ein oder andere verborgene Talent entdecken und die Entwicklungspotenziale erkennen.
- Sei kritisch: Und zwar mit dir selbst. Hast Du Vorurteile? Wenn ja, welche und woher kommen sie? Viele negative Glaubenssätze sind in unserer Vergangenheit verankert und wir haben sie nie hinterfragt. Löse dich von objektiv falschen Gedanken und lass dich positiv überraschen.
- Erhalte und schule deine Selbstreflexionsfähigkeit: Ein professionelles Coaching in diesem Bereich kann den Blick schärfen oder einen Perspektivwechsel unterstützen.
- Lass nicht zu: dass vergangene Fehler oder ein Fehlverhalten deine Sicht auf die Gegenwart trüben. Wie eingangs erwähnt: Fehler können Helfer sein. Gestehe jedem/jeder Mitarbeiter:in die Fähigkeit zu, aus seinen/ihren Missgriffen zu lernen.
- Sei nachsichtig mit dir selbst: Nicht immer wirst Du absolut objektiv bleiben können und auch das ist völlig menschlich. Erkennen, überdenken, eventuell korrigieren, weitermachen.
Fazit
Die Leistungsbeurteilung ist eine anspruchsvolle und zeitintensive Aufgabe für HR-Manager:innen und Führungskräfte. Während Du als Arbeitgeber:in dich voll auf die Vermeidung von Beurteilungsfehlern, die Weiterentwicklung deiner Mitarbeiter:innen und die Erreichung der Unternehmensziele konzentrieren kannst, nimmt die Software von hr flair dir einen großen Teil der Organisation ab.
Und nicht nur der Bereich Mitarbeiterbeurteilungen ist mit hr flair individuell gestaltbar. Flair ist eine All-in-One HR Lösung, die weiterdenkt und alle Personal- und Recruitingprozesse effizient und klar strukturiert.
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